Walter Lübcke (62), langjähriger Regierungspräsident von Kassel, wird in der Nacht zum 2. Juni 2019 auf der Terrasse seines Wohnhauses im hessischen Wolfhagen-Istha erschossen. Vierzehn Tage später erlässt die Generalbundesanwaltschaft Haftbefehl gegen den einschlägig vorbestraften Neonazi Stephan E. und dessen Freund Markus H. aus dem nahen Kassel. Ermittler hatten eine DNA-Spur des 45-jährigen E. an der Kleidung des getöteten CDU-Politikers gesichert. Laut Anklage geht die Bundesanwaltschat davon aus, dass der wegen zahlreicher Gewalttaten vorbestrafte Neonazi seinem Opfer mit einem Revolver aus unmittelbarer Nähe in den Kopf geschossen hat. Im Strafprozess vor dem Oberlandesgericht Frankfurt/Main, der am 16. Juni 2020 begann, räumte E. ein, den tödlichen Schuss abgegeben zu haben. Gleichzeitig verwies er auf den 43-jährigen Markus H. als Mitwisser und Anstifter der Tat, die die beiden Neonazis vier Jahre lang planten. Gemeinsam trainierten E. und H. in einem Schützenverein und besorgten über einen Waffenhändler in Nordrhein-Westfalen die Tatwaffe. H. hatte sich in einer juristischen Auseinandersetzung mit der Stadt Kassel erfolgreich einen Waffenschein erstreiten können, weil der hessische Verfassungsschutz der Stadt wichtige Informationen vorenthielt. Als Anlass für den Mord an Walter Lübcke bezeichnete Stephan E. vor Gericht eine Bürgerversammlung im Juni 2015 in Lohfelden bei Kassel, bei der Walter Lübcke die Aufnahme von Geflüchteten öffentlich verteidigte und neonazistische Störer, darunter E. und H., darauf hinwies, sie könnten Deutschland verlassen, wenn ihnen dies nicht gefallen. Walter Lübcke galt den beiden Neonazis seitdem als „Volksverräter“, sie stellten eine Videoaufnahme der Bürgerversammlung ins Internet. Lübcke erhielt danach eine Flut von Drohungen und Hassmails, zeitweise stand er unter Polizeischutz. Als Auslöser für den konkreten Mordplan bezeichnete Stephan E. die gemeinsame Teilnahme mit Markus H. an einem rechten Aufmarsch in Chemnitz im September 2018 (…).
Text mit freundlicher Genehmigung von ZEIT ONLINE und Tagesspiegel.